Ich war heute bei Außentemperaturen von ca. 37°C mit etwa 800 anderen Menschen bei der Anti-Prism Demonstration in Frankfurt. Vom Veranstalter wurden im Vorfeld der Demo ca. 5 000 Teilnehmer erwartet. Formal war die Demonstration hochkarätig besetzt, denn es gab auf landespolitischer Ebene prominente Teilnehmer und Sprecher. So kamen Sprecher der etablierten Parteien FDP, Grüne und Linke zu Wort, auch wenn es insbesondere bei der Rede Hahns (FDP) eher auf ein heftiges Anschreien seinerseits gegen ein Ausbuhen von Seiten der Demonstranten hinauslief. Aber auch die Redner der Linken und der Grünen hatten mit Unmutsrufen zu kämpfen. Ich habe einerseits Verständnis dafür, wenn man dem Auftritt Hahns kritisch gegenübersteht, hat doch seine Partei sozusagen eben erst die Bestandsdatenauskunft durchgewunken. Von daher stellten sich auch viele Teilnehmer bereits im Vorfeld die Frage, weshalb Hahn hier überhaupt ein Forum geboten wurde. Andererseits muss man parteihistorisch aber auch der FDP eine lange Historie von Bürgerrechtlern zugestehen und wer weiß, vielleicht kommt man ja zur Besinnung und es setzt irgendwann ein Umdenkprozess dort ein. Aber ganz egal wie man zu der einen oder anderen Partei steht. Wir waren heute Demokraten unter uns. Demokraten streiten mit Argumenten. Sie versuchen nicht, andere Meinungen zu unterdrücken.

Ein Polizist stellte mir heute, kurz bevor ich mit meiner Zeitraffer-Aufnahme der Demo anfing, eine Frage, weil er dachte, ich sei von der Presse: “Wem nutzt das ganze denn nun?”

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Wenn man eine Kosten-Nutzen-Rechnung erstellt, so ergibt sich daraus folgendes Bild:

Die FDP hatte wenig zu riskieren, denn sie schickte hier in Hessen auf Landesebene einen prominenten Politiker, der gar nicht so viel zu sagen hatte, und ein paar Junge Liberale. Für den minimalen Aufwand wurde sie allerdings in den Medien stark wahrgenommen. Man konnte als unbeteiligter Betrachter den Eindruck gewinnen, dass die FDP einer der Organisatoren der Demo war und für die Bürgerrechte auf die Straße geht. In der Politikwissenschaft nennt man das “Inszenierung”. Die FDP hatte im wahrsten Sinne des Wortes eine Bühne bekommen und sie hat sie für eine Inszenierung genutzt. Sie schaffte es somit, eine alte Klientel anzusprechen und bekam dafür maximale mediale Begleitung.  Vollkommen unter ging in der Berichterstattung, dass die FDP mit ihrer Teilnahme an dieser Demo ein Glaubwürdigkeitsproblem aufwirft. Sie ist die eigentliche Siegerin des heutigen Tages.

Auch die Grünen waren mit Tarek Al-Wazir prominent vertreten und durch junge Grüne mit einem grünen Block von Fahnen präsent. Sie hat einen guten zweiten Platz im Wahlkampf des heutigen Tages belegt und die Bühne, die ihr gegeben wurde, gut ausgenutzt. Die Grünen punkteten in den Medien dadurch, dass sie in einem Atemzug mit der FDP genannt wurde, wobei die Betonung darin lag, dass zwei Parteien, die ansonsten immer miteinander streiten, nun miteinander demonstrieren. Auch die Grünen haben unter geringen Kosten einen hohen Nutzen realisiert.

Die Linke fand mit ihrer Teilnahme wenig Gehör in der Berichterstattung. Wissler (Linke) wurde zwar noch die Gelegenheit zu einem Interview mit dem HR gegeben, in dem sie Hahn Heuchelei vorwerfen konnte. Aber wie glaubwürdig kann es sein, wenn die Nachfolgerpartei der “Partei der Spitzel” nun alle Geheimdienste abschaffen will und gegen Überwachung auf die Straße geht? Vielleicht hat meine Nachfolgegeneration weniger Bauchschmerzen damit, aber für mich ist es unglaubwürdig. Zumindest der offen vorgetragene Antiamerikanismus schien nicht gespielt zu sein. Aufgrund der mäßigen medialen Nennung kann ich nicht wirklich von einem Sieg, aber auch nicht von einer Niederlage sprechen.

Ganz anders sieht es da schon mit der Piratenpartei aus. Sie ist für mich die Verliererin des Tages. Zum einen haben die Piraten nun ein heftiges Glaubwürdigkeitsproblem, denn sie marschieren Seite an Seite mit der FDP, die gerade noch die Bestandsdatenauskunft durchgewunken hat. Wenn eine Partei im Wahlkampf schon über Leichen geht, was macht sie dann letztlich nach einem möglichen Einzug ins Parlament, um Macht zu erlangen? Im Gegensatz zu 2009 steht auf den Plakaten meiner Partei nun nicht mehr “Klarmachen zum Ändern”, sondern “Piraten wählen”. Dieser Wahlkampfslogan ist so beliebig wie auswechselbar. Brauchen wir wirklich eine sechste etablierte Partei im Parlament, die sich von den anderen nur dadurch unterscheidet, dass sie sich offen streitet und die Menschen, für die sie eigentlich mal ins Feld gezogen ist, nach dem Wahltag verstört zurücklässt? Ich habe meine Zweifel. Wir haben uns heute aber wieder einen großen Schritt in diese Richtung bewegt, denn wir haben ein Stück unseres Ideals (keine Überwachung) geopfert, indem wir den Überwachungsparteien ein Forum geboten haben. Außerdem ist das Schönreden von Teilnehmerzahlen bei Demonstrationen eine weitere Methode der Politik, die wir doch eigentlich so gar nicht machen wollten. Zum anderen wurden die Piraten in den Medien so gut wie gar nicht erwähnt. Ganz egal ob auf Landes– oder Bundesebene: Piratenfahnen konnte ein aufmerksamer Fernsehzuschauer zwar sehen, aber der Dualismus FDP-Grüne überdeckte alles. Die Piraten haben viel gewagt, indem sie auf ein überparteiliches Bündnis gedrängt haben, aber sie sind die einzige Partei, die dabei verloren haben.

Zumindest ist die Piratenpartei aber nicht die einzige Verliererin des Tages. Eine weitere Verliererin ist einmal mehr die objektive Berichterstattung, denn die Piraten fanden kaum Erwähnung, wohingegen den anderen Parteien deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Alle Bilder dürfen unter Namensnennung (Sascha Endlicher, M.A.) frei bearbeitet und verbreitet werden.

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