Auch der Gießener Anzeiger hat mir Wahlprüfsteine per E-Mail geschickt, die wir gemeinsam im Schwarm beantwortet haben. Leider hatten wir auch hier zur Beantwortung der einzelnen Fragen jeweils nur ca. 250 Zeichen zur Verfügung, wodurch die Antworten stark verkürzt und in einigen Fällen wahrscheinlich noch erläuterungswürdig sind.

Landrät(inn)e(n) werden auf sechs Jahre gewählt. Was soll im Jahr 2021 im Landkreis Gießen geschafft sein, wenn Sie an die Spitze der Kreisverwaltung gewählt werden? (Bitte nennen Sie Projekte aus mindestens drei Handlungsfeldern).

Der Landkreis Gießen liegt im landesweiten Vergleich bei den Pro-Kopf-Investitionen und beim Breitbandausbau weit vorne. Bürgerbeteiligungsverfahren sind implementiert. Der umlagefinanzierte ÖPNV geht mit einer Überlandlinie in die erste Testphase. Der Landkreis hat eine Vorbildfunktion, wenn es um die Integration von Flüchtlingen und die Schaffung interkultureller Kompetenz geht.

Zu den Kernkompetenzen mit Gestaltungsspielraum in den Landkreisen gehören die Schulträgerschaft und die Abfallwirtschaft. Können Sie im Falle Ihrer Wahl den Bestand aller Schulstandorte oder das Ausbleiben von Erhöhungen bei den Abfallgebühren bis 2021 garantieren?

Abfallgebühren: Zumindest verspreche ich, nach Möglichkeiten zu suchen, lediglich Kostensteigerungen an die Bürger weitergeben zu müssen.
Schulstandorte: Flächendeckende kosten- und barrierefreie Bildungsangebote sind eins meiner Anliegen. Also ja!

In welchen Bereichen wird ihre Politik an der Spitze des Landratsamtes den Bürgern im Kreis etwas abverlangen?

Ich setze auf Teilhabe. Das setzt voraus, dass die Bürger bereit sind, Informationen einzuholen, auszuwerten und ihre Meinung einzubringen. Auch Integration und der demographische Wandel sind Prozesse, die allen Beteiligten Anstrengungen abverlangen.

Welche Risiken, die in die Zuständigkeit des Landratsamtes fallen, gilt es bis 2021 von den Einwohnern des Kreises abzuwenden?

Es gilt die Handlungsunfähigkeit wegen eines ungenehmigten Haushalts, die Abhängung des Kreises als Wirtschaftsstandort durch unzulänglichen Breitbandausbau und zu starke soziale Spannungen durch unzureichende Integration abzuwenden.

Wird es der Landkreis aus Ihrer Sicht schaffen, ab 2020 überhaupt keine zusätzlichen Schulden mehr zu machen, so wie er das dem Land vertraglich garantiert hat?

Tendenziell nehmen in unserer hochdynamischen Zeit die unerwarteten Ausgaben eher zu als ab. Zudem sind die finanziellen Spielräume durch den Rettungsschirm weiter eingeschränkt worden. Daher stehen die Chancen für den Landkreis eher schlecht.

Strom und Wärme sollen nach geltender Beschlusslage ab 2030 im Landkreis zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen kommen? Wie viel Prozent davon werden zum Ende der Direktwahl-Periode im Jahr 2021 erreicht sein?

Das Zwischenziel, bis 2020 ein Drittel der Energie aus Erneuerbaren zu gewinnen, scheint realisierbar. In Anbetracht zunehmender Widerstände durch lokale Bürgerinitiativen wirkt eine schnelle Realisation des restlichen Ausbaus jedoch utopisch.

Eine sehr wichtige Trägerschaft der Landkreise liegt im Sozialen: Auf welchen Feldern wird Ihrer Ansicht nach bis 2021 die Hilfebedürftigkeit zu- und auf welchen abnehmen?

Die Hilfebedürftigkeit wird bei der Landarztversorgung, in Pflege und Betreuung sowie im Bereich Schule und Kindergarten, hier insbesondere bei der energetischen Sanierung, zunehmen. Abnehmen hingegen wird die Breitbandausbaulücke.

Was ist aus Ihrer Sicht die unsinnigste Aufgabe, die die vorgeordneten Verwaltungsebenen von Wiesbaden bis Berlin den Kreisen zugeschoben haben?

Es ist bizarr, dass trotz staatlicher Rekordeinnahmen die Handlungsfähigkeit der Kommunen durch ihre strukturelle Unterfinanzierung zunehmend beschnitten und ihnen mit dem Rettungschirm lediglich die Wahl zwischen Pest und Cholera überlassen wird.

Wo ist der Landkreis Gießen in Deutschland Ihrer Meinung nach so weit vorn, dass er auf längere Zeit überhaupt nichts mehr tun muss und den anderen beim Aufholen zuschauen kann?

Bei den Investitionen pro Beschäftigtem führen wir das Feld von hinten, in der Kriminalitätsstatistik von vorn an. Ich sehe keinen Bereich, den wir guten Gewissens vernachlässigen dürfen. Es gilt das Motto: “Stärken stärken und Schwächen schwächen”!

Was wären Sie noch lieber als Landra(e)t(in)?

Ein freier, unparteiischer Bürger nach humanistischem Vorbild, der sich mehr seiner Familie, der Politischen Theorie und anderen Interessen widmen kann, anstatt gegen Verfehlungen und Ungerechtigkeiten in der Politik ins Feld ziehen zu müssen.

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